Für was Marketing?

Ein Produkt ist ein Gesamtpaket, das aus Funktionalität, Kundennutzen, Kundenerlebnis und Kosten besteht. Marketing ist die Gesamtheit der Aktionen, ein Produkt zu entwickeln, auf den Markt zu bringen, auf dem Markt zu positionieren, Kunden zu akquirieren und Kunden zufriedenzustellen.

Es gibt zwei verschiedene Ebenen mit vielen Wechselwirkungen, die zusammenspielen müssen: Unternehmen und Produkt.

Vier Eckpunkte definieren ein Produkt: Funktionalität, Kundennutzen, Kundenerlebnis und Kosten. Sie bestimmen auch grossteils den potentiellen Kundenkreis. Für den Kunden entscheidend ist dabei nicht nur die Funktionalität beim Kauf, sondern die Funktionalität über die geplante Nutzungsdauer. Der Kundennutzen wird objektiv durch die Gesamtheit der Leistungscharakteristiken des Kernproduktes und den damit verbundenen Beitrag zur Problemlösung des Kunden bestimmt. Die Leistungscharakteristiken beinhalten nebst der Funktionalität auch die Implementierung. Funktionalität alleine ist kein Garant für ein kundenorientiertes und wettbewerbsfähiges Kundenerlebnis. Dieses bezieht sich auf die subjektive Erfahrung des Kunden, die er von der Produktberatung an – über den Kauf und die Inbetriebnahme – bis hin zum Ende der Produktnutzung macht. Dazu braucht es neben Benutzerfreundlichkeit und Integrierbarkeit auch einen für den Kunden effizienten Kundendienst. Dieser hilft dem Kunden bei produktspezifischen Problemstellungen und stellt sicher, dass der Kunde das Produkt während der Nutzungsdauer so wie geplant einsetzen kann.

Die Erwartungshaltung des Kunden

Einfacher ausgedrückt: Der Kunde hat eine Erwartungshaltung in Bezug auf das Produkt, die sich auf das Erlebnis während der Nutzungsdauer erstreckt. Erfüllt das Produkt von vornherein oder während der Nutzung diese Erwartungshaltung nicht, dann gibt es Probleme mit den Kunden. Entspricht hingegen das Produkt nicht den Marktbedürfnissen, so hält sich die Nachfrage in Grenzen. Das ist schlecht für den Anbieter, verursacht aber dem Kunden keine Probleme. Solche Produkte sind unter dem Begriff „Ladenhüter“ bekannt. Kauft hingegen ein Kunde ein Produkt und ist davon enttäuscht, dann haben Kunde und Anbieter ein Problem. Der Kunde ist wegen dem Produkt oder dem Kundendienst frustriert und der Anbieter hat einen unzufriedenen Kunden. Unangenehmerweise haben unzufriedene Kunden mehr Einfluss auf den Ruf des Produkts und des Anbieters als zufriedene. 

Unzufriedene Kunden sind in der Regel kommunikativer als zufriedene Kunden. In der öffentlichen Wahrnehmung haben sie deshalb – sehr zum Leidwesen der Anbieter – ein ungleich grösseres Gewicht. Je öfter ein Produkt verkauft wird, desto mehr akzentuiert sich dies. Ist ein Prozent der Kunden unzufrieden, dann sind dies bei tausend verkauften Produkten zehn Kunden. Bei einer Million verkaufter Produkte entspricht dieses eine Prozent dann aber schon 10'000 unzufriedenen Kunden. Geht man davon aus, dass etwa drei Prozent der unzufriedenen Kunden proaktiv öffentlich ihren Unmut bekunden, so ist das bei zehn unzufriedenen Kunden höchstens einer. Bei 10'000 unzufriedenen Kunden sind es dann aber schon 300. Äussern sich diese öffentlich, so getrauen sich viel mehr unzufriedene Kunden ihren Unmut ebenfalls kund zu tun. Aus den drei Prozent werden so schnell so schnell zehn Prozent und mehr. Das Web (inklusive Social Media-Plattformen) vereinfacht dies ungemein und kann zu einer Dynamik führen, die von einem Anbieter nicht mehr beherrschbar ist. Bei Massenprodukten ist es nicht gerade schwierig, den Ruf des Produkts und des Anbieters zu ramponieren. Die Wichtigkeit eines guten Kundendienstes kann deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er ist ein essentieller Teil des Kundenerlebnisses und damit des Produkts. Der Kundendienst kann Probleme zwar nicht verhindern, aber er kann dafür sorgen, dass man sich um die Anliegen der Kunden kümmert und dass zumindest dies für den Kunden ein positives Erlebnis ist.

Business, Market und Product Requirements

Das integrierte Marketing ist durch das Produktmarketing und Produktmanagement von Anfang an in die Produktentwicklung eingebettet. Es stellt sicher, dass die Produktentwicklung kunden- und marktorientiert erfolgt. Das Produktmarketing und das Produktmanagement sind bei der Erarbeitung wichtiger Basisdokumente federführend. Das Business Requirement Document (BRD) legt dar, welches Problem vom Produkt für welchen Kundenkreis gelöst werden soll und wie diese Lösung aussehen soll. Das Market Requirement Document (MRD) zeigt die Voraussetzungen auf, welche das Produkt erfüllen muss und wie der Markt aussieht, in dem das Produkt bestehen muss. Es enthält in der Regel eine Auflistung der benötigten Funktionalität, eine Markt- und Konkurrenzanalyse, die Definition der funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen, die Priorisierung von Funktionalität und Anforderungen und schliesslich noch die Schilderung von Anwendungsfällen. Die Marktanalyse zeigt den aktuellen Markt, einschliesslich der Mitbewerber und der vorhandenen Marktdynamik. Der mögliche Kundenkreis bestimmt das Potential des Gesamtmarktes, während der anvisierte Kundenkreis die zu erfüllenden Markterfordernisse definiert. Das Market Requirements Dcument (MRD) bildet die Grundlage für das Product Requirements Document (PRD), in dem die Anforderungen aus Produktperspektive aufgezeigt werden. Dieses Dokument geht in Bezug auf Leistungsmerkmale und funktionale Anforderungen tiefer in die Details und umfasst regelmässig auch Benutzerschnittstelle und Interaktionsabläufe. Das PRD ist die Grundlage für das Functional Specifications Document (FSD), das die kompletten Details der funktionalen Produktanforderungen mit Fokus auf die Implementierung definiert. Es kann von den Entwicklern direkt als Basis für die Entwicklung verwendet werden und bildet auch die Grundlage für die Einschätzung des Entwicklungsaufwandes. Dieser besteht aus dem finanziellen und zeitlichen Aufwand für die Produktentwicklung. Daraus ergeben sich dann die umzulegenden Kosten und die frühstmögliche Marktverfügbarkeit.

Business, Market und Product Requirements definieren das Fundament für das Produkt und seine Marktchancen. Sie sollen sicherstellen, dass das Produkt den Markterfordernissen entspricht. Die Marktanalyse sorgt für das nötige Marktverständnis. Da weder die Märkte noch die Kundenbedürfnisse statisch sind müssen sowohl Marktanalyse als auch Business, Market und Product Requirement Documents laufend aktualisiert werden. Die zeitgerechte Umsetzung der daraus gewonnenen Erkenntnisse entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit des Produkts, Entspricht das Produkt nicht oder nicht mehr den Marktbedürfnissen, so minimieren sich die Erfolgsaussichten. Das Produkt verschwindet zwangsläufig über kurz oder lang vom Markt. Eine strukturierte und fundierte Herangehensweise und Agilität schliessen sich nicht gegenseitig aus.

Das Unternehmen

Das Unternehmen braucht die nötigen Strukturen und Prozesse, um ein Produkt erfolgreich auf den Markt und an den Kunden zu bringen. Je nach Produkt muss für eine längere Zeit sichergestellt werden, dass der Kunde mit dem Produkt zufrieden ist und zufrieden bleibt. Für das braucht es einen Kundendienst. Je nach Unternehmen ist der Kundendienst allerdings auch ein Produkt, das für den Kunden mit Kosten verbunden ist. Das ist primär bei längerlebigen Produkten so. Das erlaubt einen tieferen Produktpreis, da der Kundendienst im Produktpreis nicht miteingeschlossen ist. Es geht dabei um die Kundenwahrnehmung. Würde der Kunde die zu erwartenden Kundendienstkosten bei der Kaufentscheidung mitberücksichtigen, dann könnte ein anderes zur Auswahl stehendes Produkt mit inkludiertem Kundendienst, aber höherem Preis, kostengünstiger sein. Das wird aber aufgrund der initialen Wahrnehmung selten berücksichtigt. Die Produktauswahl und Produktgestaltung differieren von Unternehmen zu Unternehmen und tragen wesentlich zur Wahrnehmung des Unternehmens durch den Kunden bei. Die Kundenwahrnehmung kann durch Selbstdarstellung, Marktpräsenz und Marketingmassnahmen stark beinflusst werden.

Marktmächte

Man kann ein gutes Produkt haben, für das es eine wachsende Nachfrage gibt, aber dennoch sein Marktpotential nicht realisiern kann. Denn es gibt auch Marktmächte, die direkten Einfluss auf die Märkte nehmen. Das können etablierte Mitbewerber sein, die alles tun, um ihren Kundenstamm zu behalten. Es sind aber auch politische und nationale Interessen, die von mächtigen Organisationen ausgeübt werden. Im Markt spielen viele Kräfte eine Rolle und die meisten davon sind nicht so offensichtlich. Unliebsame Mitbewerber können problemlos mittles staatlicher Massnahmen aus dem Markt gedrängt werden. Das hat zwei Effekte: Einerseits werden die eigenen Unternehmen geschützt und andererseits werden die eigenen politischen Ziele unterstützt. Im Bereich der Techonolgie, insbesondere der IT, gibt es Abhängigkeiten in der Lieferkette. Und das wird teilweise gnadenlos ausgenutzt. Ein schon mehrfach erprobtes Mittel ist, dass man der aufstrebenden ausländischen Konkurrenz die Beschaffung oder die Verwendung von wichtigen Komponenten verunmöglicht.